Von der Rechtsanwaltskanzlei ins Yogastudio – größer könnte der Sprung wohl nicht sein. Für Julia, die sich vor Kurzem nebenberuflich als Yogalehrerin selbstständig gemacht hat, war klar: die Welt der Kanzleien und Paragrafen sollte nicht ihre Zukunft sein. Auf einer Auszeit in Südostasien hat sie zu sich selbst gefunden und die ersten Schritte in Richtung Yogalehrerin gemacht. Zurück in Wien kam die Gründung des Yogablogs “Yoga & Juliet” und jeden Montag kann man ihr “Monday Kick Ass Feel Good Yoga” besuchen (von 18.15 bis 19.30 im Fokus in der Neubaugasse 44, 1070 Wien). Julia ist für uns ein perfektes Beispiel dafür, dass der klassische Weg nicht immer der richtige ist und man zu jeder Zeit im Leben die Möglichkeit hat, sich anders zu entscheiden. Heute erzählt sie uns über ihren Werdegang, was es braucht um Yogalehrer zu werden, über ihre liebsten Yogaposen und Tips für alle, die mit Yoga beginnen wollen. Namasté!
1 ) Julia – erzähl uns ein bisschen von deinem Werdegang. Was machst du momentan und was war dein Bildungsweg?
Long story short: Ich habe Jus studiert und danach fast drei Jahre in verschiedenen Anwaltskanzleien als Rechtsanwaltsanwärterin gearbeitet. Als ich merkte, dass ich in diesem Job nicht glücklich werde, habe ich gekündigt und bin für fast vier Monate allein mit dem Rucksack durch Südostasien gereist. Währenddessen habe ich auf Bali meine Ausbildung zur Yogalehrerin gemacht. Meine ursprüngliche Intention dahinter war es, tiefer in die Materie zu tauchen. Ich hatte nicht vor, Yogalehrerin zu werden. Nach meiner Rückkehr begann ich bei einem Pharmaunternehmen im Marketing und Sales Bereich zu arbeiten.
Die Idee, tatsächlich auch Yoga zu unterrichten, hat mich allerdings nicht mehr losgelassen. Über den Sommer entstand schließlich Yoga & Juliet. Nun unterrichte ich seit September in Wien auf selbstständiger Basis nebenberuflich Yoga und betreibe meinen Yogablog. Vor zwei Wochen habe ich außerdem meinen Onlineshop gelauncht, in dem es für den Start eine kleine, selbst entworfene Kollektion fair-trade Shirts mit lustigen Yogaquotes gibt.
2 ) Wie bist du zum Yoga gekommen?
Ich habe immer gesagt Yoga ist nichts für mich. In meiner Vorstellung waren Yogis esoterische, abgespacte Hippies, die mit langen weißen Kleidern im Kreis sitzend Hare Kirshna singen. Vor ca. vier Jahren hat mir eine ehemalige Arbeitskollegin dann von Bikram Yoga erzählt. Bikram Yoga ist Yoga in einem 40 Grad heißen Raum bei dem es ausschließlich um die Yogapositionen (Asanas) geht. Ich wurde neugierig, hab es probiert und Gefallen daran gefunden. Zuerst ging es mir wirklich nur um die physische Betätigung. Als ich genug von Bikram hatte, versuchte ich Vinyasa Flow Yoga. Hier bemerkte ich mit der Zeit, dass viel mehr hinter Yoga steckt als nur die sportliche Betätigung und das weckte mein Interesse.
3 ) Was siehst du als die größten Herausforderungen momentan?
Ich würde sagen es gibt momentan zwei sehr große Herausforderungen in meinem beruflichen Leben:
1) Den Spagat zwischen 40 Stunden Job und nebenberuflicher Selbstständigkeit zu meistern. Früher konnte ich nach meiner Arbeit auf’s Sofa und abschalten. Jetzt beginnt die Arbeit erst nach der Arbeit und umfasst auch das Wochenende. Das zehrt schon ab und zu an den Kräften. Aber da es nicht nur Arbeit sondern vor allem Leidenschaft ist, sind die müden Momente meistens schnell wieder vergessen.
2) Mich als Yogalehrerin zu behaupten. Ich bin noch ein ziemlicher Frischling in diesem Business, da ist es nicht einfach, aus der Menge an Yogalehrern die es mittlerweile auch in Wien gibt, hervorzustechen. Es reicht nicht gute Stunden abzuliefern. Denn die Stunden müssen auch gefüllt werden. Das erfordert oft einiges an Kreativität, Ideen und Durchhaltevermögen.
Aber diese Herausforderungen haben auch etwas Schönes und es fühlt sich unglaublich gut an wenn man sieht, wie man mit der Zeit an ihnen wächst.
4 ) Wie sieht der Alltag als Yogalehrerin aus?
Da ist natürlich mal das Unterrichten an sich. Das beansprucht ja nicht so viel Zeit. Eine Einheit dauert nur eine Stunde und 15 Minuten. Die Stunden müssen aber auch vorbereitet werden. Meine Vinyasa Flow Stunden stehen jedes Mal unter einem anderen Motto. Wenn eine Stunde zu Ende ist, setze ich mich hin und überlege was das Thema für die nächste sein kann. Das können: Krieger-, Detox-, Balance-, Power-, Backbendsflows und und und sein. Wenn ich mich für ein Thema entschieden habe, beginne ich meine Stunde auszuarbeiten. Dann mache ich sie natürlich auch ein paar Mal selbst durch und stelle noch eine Playlist zusammen. Das kann dann schon Mal dauern.
Viel Zeit investiere ich natürlich auch in meinen Yogablog. Dafür werden Texte geschrieben, Fotos geshootet und editiert etc. Seit Kurzem braucht auch noch mein kleiner Onlineshop einen Teil meiner Aufmerksamkeit.
Ich lese außerdem viel. Yogazeitschriften, weiterführende Bücher oder zwischendurch auch etwas in Richtung Yogaphilosophie. Ich versuche ständig mein Wissen zu erweitern und neue Ideen zu sammeln.
Nicht zu vergessen ist die organisatorische Arbeit. Die beinhaltet Marketing, Buchhaltung und dergleichen.
Ganz wichtig ist natürlich auch noch die eigene Praxis. Wenn ich nicht selber praktiziere, kann ich nicht unterrichten. Dazu besuche ich sehr gerne Stunden von anderen Lehrern. So muss ich nicht nachdenken was ich als nächstes mache, sondern kann meinen Kopf ausschalten und mich wieder mehr dem meditativen Part von Yoga widmen. Das tut oft wirklich gut. Ich versuche wirklich jeden Tag, auch wenn es nur für 15 Minuten ist, Yoga zu machen. Egal wie viel man um die Ohren hat, die eigene Praxis darf als Yogalehrer nicht zu kurz kommen.
5 ) Was magst du an deinem Job am liebsten – und was am wenigsten?
Am liebsten mag ich es wenn ich sehe, dass Schüler glücklich aus meiner Klasse gehen und sich beim Gehen schon auf die nächste Einheit freuen. Es ist schön zu sehen, dass sie bei mir die wohlverdiente Pause vom Alltag bekommen, die sie gesucht haben oder ein Erfolgserlebnis haben, wie z.B. das erste Mal den Kopfstand geschafft zu haben. Außerdem bin ich unglaublich dankbar dafür, meine Leidenschaft für Yoga an andere weiterzugeben zu dürfen.
Am wenigsten mag ich, dass neben dem Unterrichten, der Unterrichtsvorbereitung und meinem Yogablog noch so viele andere Dinge wirklich wichtig sind. Werbung, Marketing, Buchhaltung etc. All das gehört erledigt, auch wenn ich mich oft lieber nur Unterricht und Blog widmen würde.
6 ) Wie sieht der Bildungsweg aus, wenn man beruflich als Yogalehrerin arbeiten möchte? Was sollte man beachten?
In Österreich ist Yogalehrer ein freier Beruf. Das bedeutet, dass man dafür kein Gewerbe anmelden muss und auch keinerlei Nachweise über eine Ausbildung vorlegen muss. Es kann sich also grundsätzlich jeder Yogalehrer nennen.
Üblich ist es, ein Yogateachertraining zu absolvieren. Mittlerweile gibt es Teachertrainings wie Sand am Meer und da trennt sich auch die Spreu vom Weizen. Ich würde daher jedem raten der plant ein solches zu besuchen, die Qualität vorab genau zu prüfen. Es gibt einige Organisationen, die gewisse Standards bei der Ausbildung voraussetzen, wie zum Beispiel die Yoga Alliance. Daran kann man sich gut orientieren.
Gängig sind für den Anfang Yogateachertrainings im Ausmaß von 200 Stunden. Die gibt es intensiv innerhalb von vier Wochen oder über einen längeren Zeitraum z.B. auf Wochenenden verteilt. Wichtig ist auch die Entscheidung, welche Yogarichtung das Teachertraining umfassen soll. Es gibt speziellere Teachertrainings die gezielt auf eine Yogarichtung abzielen wie Ashtanga oder Vinyasa Flow und allgemeiner gehaltene. Wenn man schon davor weiß, was man genau unterrichten möchte, halte ich das für eine Option. Ansonsten würde ich empfehlen eine Ausbildung im klassischen Hatha Yoga zu machen. Das schafft eine gute Basis auf der man aufbauen kann und drängt einen nicht zu sehr in eine Richtung. Meine Ausbildung war z.B. eine klassische Hatha Ausbildung, ich unterrichte jetzt aber hauptsächlich Vinyasa Flow Stunden.
Wer glaubt, dass es mit dem 200 Stunden Teachertraining getan ist, irrt. Die eigentliche Ausbildung beginnt, finde ich, erst mit dem Unterrichten an sich. Man sollte sein Wissen als Yogalehrer außerdem ständig erweitern. Sei es im Selbtsstudium, bei Workshops oder bei weiterführenden Teachertrainings.
7 ) Hast du Tips für unsere Leserinnen, die mit Yoga beginnen möchten?
Take it easy. Social Media ist voll von Yogis und Yoginis (so nennt man weibliche Yogis) die sich so verbiegen, dass man meinen könnte sie hätten keine Knochen. Fakt ist allerdings, dass es meistens lange braucht, um dorthin zu gelangen und manche es vielleicht aufgrund physischer Voraussetzungen nie schaffen werden. Nur wenige von uns sind von Natur aus mit einem flexiblen Körper gesegnet. Das ist aber total egal. Denn bei Yoga geht es nicht darum mit den Händen den Boden zu berühren, sondern darum was ihr am Weg dorthin lernt.
Diesen Tipp gebe ich deshalb, weil mir das selbst schwer fiel und noch immer ab und zu schwer fällt. Ich hab früher oft auf die Matte neben mir geschielt und mir gedacht, das will ich auch so können. Wenn es dann nicht gleich geklappt hat war ich schlecht gelaunt. Mittlerweile bleibe ich aber meistens auf meiner Matte und schiele nicht mehr nach links und nach rechts.
Versucht also euer Ego auszuschalten. Das hat bei Yoga nichts verloren. Genießt den Weg zum Handstand und seid nicht sauer wenn es nach einem halben Jahr noch immer nicht klappt. Und wenn ihr mal einen schlechten Tag habt und euer Körper danach verlangt nur in Child’s Pose zu liegen ist das auch okay, ganz egal was gerade auf der Matte neben euch passiert.
8 ) Was ist deine liebste Yogaübung und wieso?
Das kommt ganz auf meine Tagesverfassung an und wechselt eigentlich ständig. Ich mag Asanas die mich herausfordern und bei denen ich zunächst das Gefühl habe an meine körperlichen Grenzen zu stoßen. Wenn man dann allerdings hartnäckig bleibt und übt, übt, übt, merkt man wie man sich verbessert und dieses Erfolgserlebnis ist großartig.
Wenn ich mich für eine Übung entscheiden müsste, dann wäre das momentan das Rad (Chakrasana). Ich war anfänglich echt schlecht bei Rückbeugen und hatte einen, wie es schien total steifen Rücken. Außerdem empfand ich es als unangenehm mich nach hinten zu beugen und hatte das Gefühl die Kontrolle zu verlieren. Nach und nach wurde es besser und mittlerweile macht es Spaß. Rückbeugen öffnen den Herzraum, helfen dabei los zu lassen und die Kontrolle abzugeben. Ich kann sie daher wirklich jedem ans Herz legen, der in seinem Leben, wie ich, zu Kontrollzwang neigt. Es muss ja nicht gleich das Rad sein.
EN: From a law firm to being a yoga teacher – that’s what we call a turnaround! Julia was practicing law for three years when she decided that this was just not meant for her. So she quit her job, travelled through Asia and got more invested in Yoga. There was also when she did her first training as a yoga teacher, but not with the intention of actually wanting to teach back at home – just for the sake of doing yoga and learning more about her passion. Back home after a few months of travelling, she started a job in sales & marketing for a pharmaceutical company and also launched a yoga blog (Yoga & Juliet) and a little online shop where she sells a small line of Yoga shirts & equipment.
When we asked her about the biggest challenges for her right now, she told us that it’s been really hard to keep balance between her full time job and being a yoga teacher. Also, she’s pretty new to the scene and still has to make a name for herself, which can be quite the challenge, given how many yoga teachers there are in Vienna right now. Her daily routine of being a teacher is not only the lessons and teaching itself, but rather the preparation that goes into the classes and the creativity that has to come with it. She has to decide on a theme, then create the class and puts a playlist together. Then, there’s her yoga blog which she has to write posts for and create the content and photos as well as her online shop and all the accounting and marketing that come with her businesses.
If you want to become a yoga teacher in Austria, it seems pretty easy at first, because there’s no official education needed – but still, it’s highly recommended to complete a teacher training in order to call yourself “a yoga teacher”. To everyone that is thinking about starting yoga as a hobby, Julia recommends to take it slow and easy, not to put too much pressure on yourself and your body and just enjoy the path that you’re on – your body will adjust along the way and sooner or later you’ll be able to bend like you’ve never imagined, just give it a little time!